geb. ca. 1398 im Hennegau, wahrscheinlich in oder in der Nähe
von Cambrai
gest. 27.11.1474 in Cambrai
Seine musikalische Laufbahn begann Guillaume Dufay als Chorknabe, und zwar ab 1409 an der
Kathedrale in Cambrai, zunächst unter dem Maître de chapelle Nicolas Malin, der
dieses Amt bis 1412 innehatte. Sein Nachfolger wurde Richard Loqueville 1413-18, von dem ein
tropiertes Sanctus überliefert ist, dessen Tenor auch in einem Sanctus von Dufay zu finden
ist. Der als Komponist von Motetten bekannte Nicolas Grenon war erst
1421-24 als Maître de chapelle in Cambrai tätig; obwohl er also
Dufay nicht mehr als Chorknabe betreut hat, standen die beiden
Komponisten auch nach Dufays Fortgang aus Cambrai noch lange in enger
Verbindung.
Ab 1420 ist Dufay als Hofkomponist in Pesaro und Rimini bei der angesehenen kleinfürstlichen
Familie Malatesta nachgewiesen. Wie er dort hingekommen ist, ist nicht bekannt; es wird aber
angenommen, daß sich Dufay im Gefolge des Bischofs von Cambrai und Kanzlers der Pariser
Universität, Pierre Dailly, befand, als dieser 1417/18 am Konstanzer Konzil teilnahm.
Vielleicht traf Dailly dort mit Carlo Malatesta d.Ä. zusammen, sodaß damit der Grund
für die engen Beziehungen Dufays zu den Malatesta gelegt wurde. Die Verbindung zu den
Malatesta hat mindestens 6 Jahre gedauert, allerdings mit Unterbrechungen (so hielt sich Dufay
mehrmals auch in seiner Heimat auf, zwischen 1426 und 1428 sogar für längere Zeit).
Drei datierbare Kompositionen aus der Zeit von 1420-1426 belegen seine Beziehungen zu den
Malatesta: die Festmotette "Vasilissa ergo gaude" zur Abreise der Cleofe Malatesta
nach Byzanz (1420), die Ballade "Resvellies vous" für die Hochzeit von Victoria
Colonna und Carlo Malatesta d.J. (1423) und die Motette "Apostolo glorioso" für
Pandolfo Malatesta, Erzbischof von Patras (1426). Verschiedene Pfründen, aus denen er
Einkünfte bezog, wurden ihm in dieser Zeit übertragen. So wurde er Kaplan von
St.Fiacre in Laon und St.Jean Baptiste, einer Kirche in der Diözese Laon, und Kanonikus
in Tournai. 1428 wurde der Diakon Dufay zum Priester geweiht, wahrscheinlich in Bologna.
Etwas später, Ende 1428, wurde Dufay Kapellsänger des Papstes Martin V. in Rom. Dieser
Papst wurde statt der drei abgesetzten gleichzeitigen schismatischen Päpste vom Konstanzer
Konzil eingesetzt und residierte nach dem langen Exil in Avignon wieder in Rom. Seine Regierung
dauerte 14 Jahre, sein Nachfolger wurde 1431 Eugenius der IV.
Dufay blieb auch unter Eugenius im päpstlichen Dienst, auf dessen Wahl zum Papst sich
wahrscheinlich die Motette "Ecclesiae militantis" bezieht. Unter Eugenius IV. erhielt
Dufay im Jahr 1431 ein weiteres Kanonikat in Lausanne. Von August 1433 bis Mitte 1435 lebte
Dufay abwechselnd am Hof des Herzogs von Savoyen, dessen Musikchef er war, und in seiner Heimat.
Bis Mitte 1437 war er erneut Mitglied der päpstlichen Kapelle, wirkte jetzt jedoch in
Bologna und Florenz, dem Asyl des Papstes:
Eugenius war in größte Bedrängnis geraten, weil fast die gesamte
abendländische Welt die Kirche umgestalten und das Konzil über den Papst stellen
wollte. Das Konzil tagte in Basel und übte gewaltigen Einfluß auf alle christlichen
Nationen des Abendlandes aus, mit Ausnahme des von Eugenius IV. zum Kaiser gekrönten
deutschen Königs Sigismund - auf dessen Friedensschluß mit Eugenius 1433 schrieb
Dufay die Motette "Supremum est mortalibus"-. Die geschwächte Autorität des
Papstes wurde von einigen extrem feindlich gesinnten römischen Familien ausgenutzt.
1437 mußte Eugenius unter Lebensgefahr Rom verlassen. Er entkam nach Florenz, wo er ein
politisch sicheres und kulturell aktives Asyl fand.
Für die Einweihung des Florentiner Doms, der mit einer Kuppel von Brunelleschi gekrönt
ist, schrieb Dufay die vierstimmige Festmotette "Nuper rosarum flores", die am
25. März 1436 aufgeführt wurde. Im gleichen Jahr wurde Dufay vom Papst zum Kanonikus
von Cambrai ernannt, er nahm das Amt jedoch erst später persönlich in Besitz.
Außerdem erhielt er in der Folge das Kanonikat in Mons.
Von 1437 an trat Dufay wieder in nähere Beziehung zu Herzog Ludwig von Savoyen, obwohl
nicht klar ist, ob die 7jährige Anwesenheit in Savoyen, von der Dufay in seinem Testament
spricht, in diese Zeit fällt. Aus Dufays Zeit in Savoyen sind auch Aufenthalte in Bern und
Dijon nachgewiesen. Dufay scheint außerdem, vielleicht in Turin, erfolgreiche Jurastudien
betrieben zu haben, denn es findet sich sowohl in einem Dokument von 1446, das sich auf die
Übernahme des Kanonikats in Mons bezieht, wie auch in der Inschrift auf seinem Grabstein
(heute im Musée des Beaux-Arts in Lille) der Titel eines "baccalarius in
decretis". Es mag aber auch sein, daß seine Studien in eine frühere Zeit
fallen (C. Wright hält Bologna vor 1428 für möglich).
Nach neueren Forschungen verbrachte Dufay die Zeit von 1439 bis 1450 vorwiegend in Cambrai,
die Jahre 1450-58 zum größten Teil in Savoyen und die letzte Lebenszeit, 1458-74,
jetzt kaum noch reisend, in Cambrai. Während dieser letzten Jahre lebte der Kanonikus
Dufay in Glanz und Ehren und reich genug, um in seinem Haus Fürsten als Logierbesuch
empfangen zu können.
In der bereits erwähnten Urkunde von 1446 wird Dufay als "capellanus" des
Herzogs von Burgund, in einer anderen Quelle als dessen "cantor" bezeichnet.
Doch dürften dies nur Ehrentitel gewesen sein. Denn auch wenn die beiden Regenten
(Philipp der Gute und Karl der Kühne) an den Künsten interessiert waren, sind
doch engere Beziehungen in Form eines Amtes nicht dokumentiert.
Auch über die Beziehungen zu Gilles Binchois (um 1400 - 1460), der im Dienste des Herzogs
von Burgund wirkte, ist nur bekannt, daß sich die beiden Musiker im März 1449 in
Mons sowie wahrscheinlich schon 1434 in Chambéry begegnet sind.
Es ist nicht gesichert, ob Dufay die Ballade "C'est bien raison" anläßlich
des Friedens von Ferrara 1433 oder erst einige Jahre später geschrieben hat, ob ferner
liturgische Werke wie das "Sanctus Papale", die Ordinariumssätze mit
Oberstimmen-Cantus Firmus und der dreistimmige Hymnenzyklus in Rom entstanden sind, und man
weiß wiederum nur von wenigen erhaltenen Werken mit Sicherheit, daß sie in den
letzten Lebensjahren Dufays, in denen er fest mit Cambrai verbunden war, entstanden sind.
Trotz vieler entsprechender Versuche lassen sich überhaupt nur wenige Kompositionen
Dufays mit Sicherheit datieren. Eine Hilfe bei der Datierung mag die Notierung leisten, die
sich ja zu Dufays Zeit ständig wandelte; doch können auf diese Art auch nur
ungefähre Angaben gemacht werden.
Auf den Fall von Konstantinopel (1453 Eroberung durch die Osmanen) bezieht sich die Klagemotette
"O tres piteulx", die vielleicht 1454 auf dem Fasanenbankett in Lille gesungen wurde.
1463 wurde in Cambrai die Messe "Ecce ancilla domini" kopiert, ein Jahr später
die Motette "Ave Regina caelorum", deren Text auf Dufays eigene Todesstunde Bezug
nimmt. Seine letzte erhaltene Messe, "Ave Regina caelorum", beruht auf dieser
Motette und dürfte also 1464 oder später entstanden sein. In seinem mit dem
8. Juli 1474 datierten Testament äußert Dufay den Wunsch, die Motette "Ave
Regina" möge an seinem Sterbebett gesungen werden. Das Werk wurde dann
tatsächlich bei den Exequien nach seinem Tod aufgeführt. Ein ebenfalls im Testament
erwähntes Requiem ist nicht erhalten geblieben.
Guillaume Dufay war einer der ersten Komponisten, die es zu internationalem Ruhm brachten. Von
ihm sind etwa 200 authentische Werke erhalten, dazu zählen 52 meist im Fauxbourdon-Stil
geschriebene kurze geistliche Werke, 8 Messen und 84 Chansons, die meistens 3stimmig,
selten 4stimmig sind. Die große Beliebtheit und der Ruhm seiner Kompositionen lassen
sich vor allem aus der Häufigkeit der gefundenen Abschriften folgern. Seine Kompositionen
stellen eine Verbindung zwischen zwei Epochen dar: Dufays frühe Werke sind der Musik des
ausgehenden Mittelalters noch eng verbunden, während seine späteren in bezug auf
Technik und Inhalt schon der beginnenden Renaissance angehören. Obwohl sich die
Stimmen mit großer Unabhängigkeit und in melodischen Linien bewegen, wandte
Dufay seine Aufmerksamkeit mehr als seine Vorgänger - vielleicht nach dem Vorbild
Dunstables - dem harmonischen Intervall der Terze und der Sexte (Fauxbourdon) zu.
In seine geistliche Musik führte Dufay populäre Lieder (z.B.
"L'homme armé") ein, indem er die Melodie als Cantus Firmus im Diskant
oder Tenor verwandte und sie mit eigenen Melodien verwob. Indem er stets den
denselben gregorianischen Gesang oder dieselbe Volksliedmelodie in jedem Satz
einer Messe verwandte, machte Dufay daraus ein einheitliches Werk und begründete so die
Form der zyklischen Messe mit. Seine erste Messe, die "Missa sine
nomine", kann als eine der frühesten Zyklen angesehen werden.
Gaby Chaudry
Buchempfehlung: David Fallows: DUFAY, London 1982, ISBN 0-460-02493-0