Kyrie aus der Messe de Nostre Dame

Guillaume de Machault (Machaut)

Messe de Nostre Dame - diskographische Empfehlungen



Taverner Consort/Andrew Parrott
EMI Reflexe 747 949-2


Die derzeit beste mir bekannte Aufnahme der Messe. Eine gelungene und wissenschaftlich fundierte Rekonstruktion, sowohl was die Besetzung als auch die Wahl der Stimmtonhöhe betrifft. Über die Aussprache läßt sich bekanntlich streiten, aber das Taverner Consort hat sich eindeutig Mühe gegeben, eine "gemäßigte" französisierte Aussprache zu wählen - immerhin klang das Französisch des 14. Jahrhunderts reichlich anders als das heutige.
Interessant auch die Entscheidung, eine vollständige Messe (d.h. inklusive Proprium) aufzuführen. Das Hilliard Ensemble (s.u.) hatte es vorgemacht, und ich bin der Meinung, daß dies eine gute Möglichkeit ist, einen Gesamteindruck des Werkes zu vermitteln.
Einziger Wehrmutstropfen: Die Passagen, die von manchen (nicht ohne Grund) als Instrumentalpassagen gedeutet werden, bereiten dem Taverner Consort offensichtlich Probleme, zumindest klingen sie ähnlich deplaziert wie beim Hilliard Ensemble.



Hilliard Ensemble/Paul Hillier
Hyperion 66358


Es mag sich hier um einen rein subjektiven Eindruck zu handeln, aber die Atmosphäre dieser Aufnahme ist und bleibt unschlagbar. Man fühlt sich wirklich in das Frankreich des 14. Jahrhunderts zurückversetzt, und vergißt darüber auch mal gerne, daß die Interpretation leider auch ihre Mängel hat. Der größte davon ist zweifellos, daß die Messe viel zu schnell gesungen ist, was sich besonders beim Gloria und Credo unschön bemerkbar macht.
Alles in allem aber auf jeden Fall eine hörenswerte Aufnahme.



Oxford Camerata/Jeremy Summerly
Naxos 8.553833


Diese Aufnahme ist eine echte Konkurrenz zu allen Interpretationen renommierter und "teurer" Ensembles. Bemerkenswert auch die Tatsache, daß sie in Reims selber aufgenommen worden ist, also Machaults Heimatstadt und womöglich der Ort, wo die Messe uraufgeführt wurde. Leider ist es aber dem Tontechniker nicht gelungen, den Klang der Reimser Kathedrale einzufangen.
Die Interpretation selber kann gut und gerne einen Vergleich mit der des Taverner Consorts bestehen - hier hat sich eindeutig jemand mit dem Werk auseinandergesetzt. Was vielleicht nicht so ganz gelungen ist: Das Französisch der Oxford Camerata läß doch einiges zu wünschen übrig, und so klingt doch manches ü eher wie ein i. Da wäre vielleicht die Wahl einer eher italianisierten Aussprache von Vorteil gewesen.



Deller Consort/Alfred Deller
DHM (BMG) 77064 oder EMI 769 479-2


Nur aus Vollständigkeitsgründen führe ich diese Aufnahme mit auf. Was in den 60er Jahren noch modern war, ist leider heute schon lange überholt. Was vor allem die Ohren des geübten Hörers stört, ist die viel zu starre Vertikalität der Interpretation, also das Betonen von Akkorden statt der einzelnen Stimmen, wie es eigentlich erst in der Renaissancemusik (z.B. bei Palestrina) Sinn macht. Ergebnis ist ein Brei, aus dem es schwerfällt, die einzelnen Linien herauszufiltern. Die isorhythmischen Passagen werden dadurch natürlich unhörbar.
Vielleicht sinnvoll für jemanden, der sich mit der Geschichte der Aufführungspraxis beschäftigt.


Zur Startseite